Bettlektüre des Monats

Bettlektüre
30. Juni 2015
1151

„Das Liegen war für Ilja Iljitsch keine Notwendigkeit wie für einen Kranken oder wie für jemanden, der schlafen möchte, es war auch keine Zufälligkeit, wie für einen, der erschöpft ist, und kein Genuss wie für einen Faulpelz: es war sein Normalzustand.“ Oblomow ist der Prototyp des Phlegmatikers. Er leidet am Leben und an seinen Entscheidungen und widmet sich vollends der Prokrastination. Er bleibt also lieber im Bett und versucht, seine Probleme auszuliegen. Ein nachvollziehbarer Versuch, der allerdings zu neuen Problemen führt… Das Bett als Mittelpunkt des Lebens klingt für uns selbstverständlich auch sehr verlockend. Aber wir wollen es erstmal mit einem ausgiebigen Schmökerwochenende versuchen. So ein bisschen Trägheit kann in unserer heutigen Leistungsgesellschaft schließlich nicht schaden… Darum geht’s: Aufstehen oder liegen bleiben? Sich um dringliche Angelegenheiten des väterlichen Guts kümmern oder einen Mittagsschlaf halten? Ilja Iljitsch Oblomow weiß durchaus, wofür er sich in Situationen wie diesen entscheiden sollte, allein: er ist über alle Maßen lebensuntüchtig. So lässt er den Dingen seinen Lauf und kann sich nicht dazu aufraffen, etwas an seinem Daseinszustand zu ändern. Als die junge Olga in Oblomows Leben tritt, deutet sich die Möglichkeit einer Wende an. Doch auch in der Liebe stehen ihm seine Lethargie und fehlende Willenskraft im Weg. „Man muss nur die literarische Qualität der Langeweile anerkennen. Bei mir liegt irgendwo das Buch Oblomow, die Geschichte dieses russischen Faulenzers. Das ist toll.“ Harald Schmidt in einem Interview mit der Zeit. Iwan Aleksandrowitsch Gontscharow wurde am 18. 6. 1812 in Simbirsk als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach dem Studium der Literatur war er einige Jahre im Staatsdienst tätig. Seine Karriere als gefeierter Romancier des russischen Realismus begann 1847 mit dem ersten Roman »Eine alltägliche Geschichte« und erreichte ihren Höhepunkt mit »Oblomow« (1859). Gontscharow starb am 27. 9. 1891 in St. Petersburg. In der Neuübersetzung von Vera Bischitzky wird das Lesen dieses viel diskutierten russischen Klassikers zu einem großen Vergnügen. Man mag gar nicht glauben, wie aufregend ein faules Leben sein kann!

Kategorien: Gute Nacht