Heiliger Strohsack

Stroh
21. November 2011
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Eine kleine Kulturgeschichte des Bettes

Von allen Möbelstücken ist es das, auf das wir am wenigsten verzichten können: das Bett. Dabei ist das individuelle Nest im eigenen Schlafzimmer purer Luxus, den sich die breite Masse kaum mehr als hundert Jahre leisten kann. Was nicht an der Erfindung des Bettes selbst liegt: Schon vor 3000 Jahren nächtigten die Ägypter auf erhöhten Gestellen aus Holz oder Bronze, die bereits mit Gurten bespannt und mit Baumwollmatratzen versehen waren („matrah“, arabisch „Bodenkissen“). Kleingetier und Kälte hatten so kaum eine Chance, die Ruhe zu stören.

Nach Europa wurde diese Art des Schlafens erst im 12. Jahrhundert durch die Kreuzzügler importiert – vor allem an die Höfe. Wer sich abseits des Adels ein solches Bett mit Matratze (die mit Stroh, Schilf oder Spreu gefüllt war) leisten konnte, teilte es meist mit der ganzen Familie. Die Schlafstatt stand im gemeinsamen Wohnraum, in den oft noch ein Tier aus dem Stall geholt wurde, damit es wärmer wurde. Erst das im Mittelalter eingeführte Himmelbett brachte dank dicker Vorhänge ein Gefühl der Intimität, so gesehen war es der Vorläufer des Schlafzimmers.

An der Grundidee eines Bettkastens mit vier Beinen und aufgelegter Matratze änderte sich von da an nicht mehr allzu viel, am Komfort jedoch sehr wohl. Während die Ärmeren weiterhin auf Strohsäcken schliefen, gönnten sich die bürgerlichen Schichten ab dem 19. Jahrhundert dreiteilige Matratzen, die mit Wolle oder Federn gefüllt waren. Auch das Federbett mit Kissen gehörte nun dazu und löste Felle und Leintücher als Zudecke ab.

Während die Bettgestelle der Wohlhabenden bis dahin durch kostbare Materialien, kunstvolle Drechseleien und Intarsien ziemlich raffiniert geworden waren, brachte die industrielle Herstellung mehr Schlichtheit ins Schlafgemach – machte das Bett aber erstmals für viele erschwinglich. Funktionale Bettkästen aus Eisen oder Holz setzten sich durch.

Das eigene Schlafzimmer indes ist eine relativ junge Einrichtung, die sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg Bahn brechen konnte. Mehr Wohnraum und der Trend zur kleineren Familie brachte auch eine neue Schlafkultur: Das Schlafzimmer wurde zum Privatissimum, in das Fremde keinen Zutritt hatten. Das Design des Bettes wandelte sich jedoch immer mehr zur puristischen Form – bis zum seit den 1990er Jahren auch in Europa verbreiteten japanischen Futon, das auf Kopf- und Fußteil völlig verzichtet.

Statt kunstvoller Verzierung stehen heute Schlafkomfort und ergonomische Aspekte im Vordergrund. Edle Materialien und klassisches Design unterstützen die Funktion der immer hochwertigeren Matrat- zen, ohne sich in den Vorder- grund zu drängen. Was keinesfalls heißt, dass das Bett an Bedeutung eingebüßt hätte. Im Gegenteil: Als Ort vollkommener Geborgenheit dient es nicht nur der körperlichen, sondern auch der seelischen Erholung. Hier können wir Muße tanken auch abseits der Schlafenszeit. Ein Gedanke übrigens, der für die alten Römer bereits selbstverständlich war. Ob beim Lesen, Schreiben, größeren Gelagen oder Ausflügen ins Grüne: Wenn immer möglich, begab man sich in die Horizontale und hatte für jeden Zweck das passende Bett dabei.

Literatur: Anthony Burgess: Wiege, Bett und Récamier. Kleine Kulturgeschichte des Liegens. Nur noch gebraucht erhältlich. 1985 (Südwest Verlag).

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Titelfoto: ©barockschloss/flickr

Kategorien: Gute Nacht