Wie spät wird es sein? Mit der „Ur-Uhr“ im erhabenen Stundentakt entschleunigen

Meistersinger_Uhr
17. August 2011
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Wann haben wir uns das letzte Mal um 20 Uhr 34 verabredet? Oder wurden beschimpft, wir seien 17 Minuten zu spät? Auch wenn wir den Tag nicht im Minutentakt planen, steht fest: Wir gucken ziemlich oft auf die Uhr. Was nur selten für Entspannung sorgt. Raus aus dem Hamsterrad, beschloss Manfred Brassler. Und entwarf einen ganz und gar paradoxen Plan: Die Emanzipation vom Diktat der Zeit – ausgerechnet mit einer Uhr.

Der Clou: Seine „MeisterSinger“-Uhr sollte nur einen Zeiger haben, genau wie die ersten Sonnenuhren. Und mit dieser ungefähren Zeit für einen souveräneren Umgang mit unserer kostbarsten Ressource sorgen. Offenbar traf der Münsteraner Unternehmer einen Nerv. Seine Einzeiger-Armbanduhren, die er 2001 erstmals auf der Uhrenmesse Baselworld präsentierte, heimsten mittlerweile nicht nur jede Menge Designpreise ein. Sie fanden Liebhaber, die offenbar verstehen, worauf es Brassler mit seiner „Ur-Uhr“ ankam: Die Zeit wieder zu dem zu machen, was sie ist: relativ. Also selbst zu entscheiden, wie schnell die Zeit für einen vergehen soll. Und irgendwie können es die Träger selbst nicht erklären, was genau das Entschleunigende ist, das der Blick auf die puren Uhren auslöst. Nur dass es so ist. Mit einer Skaleneinteilung, wo es von Teilstrich zu Teilstrich fünf Minuten sind, das hektische „tick tack“ von Sekunden- und Minutenzeiger aber fehlt, passiert nichts mehr à la minute. Obwohl das Uhrwerk dank ausgeklügelter Mechanik hochpräzise läuft. Das hat etwas Großzügiges, das man vielleicht auch anderen zubilligt. Nur: Unsere Welt ist längst nicht mehr auf diese Toleranz hin gepolt. Per Smartphone organisiertes Zeitmanagement und eine ständige Erreichbarkeit sorgen für ein Korsett, das unbemerkt längst die Freizeit bestimmt.

Nicht von ungefähr sind Minuten- und Sekundenzeiger Kinder der Industrialisierung. Richtig populär wurden sie Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Arbeitszeit in den Fabriken kostbar und Arbeitsprozesse aufeinander abgestimmt wurden. „Die Uhr, nicht die Dampfmaschine ist die Maschine, die das Industriezeitalter am stärksten geprägt hat“, schrieb 1934 der Amerikaner Lewis Mumford in seiner Kulturgeschichte der Uhr. Da ist es vielleicht nur konsequent, dass der Ausweg aus einer sich selbstbeschleunigenden Zeit wiederum über die Uhr geschehen muss. Die Tatsache, dass die im westfälischen Münster konzipierten, aber dennoch „swiss made“, weil in einer kleinen Uhrenmanufaktur in der Schweiz hergestellten „MeisterSinger“ zugleich Ästheten wie Liebhaber hochwertiger Zeitmesser ansprechen, sorgt da möglicherweise für eine Entschleunigung durchs Hintertürchen. Und vielleicht ertappen sich selbst akribische Zeitmesser schon bald dabei, auf die Frage „wie spät ist es?“ mit trägem Blick aufs Handgelenk „früh genug, schätze ich“ zu antworten. Denn bereits Albert Einstein hat erkannt: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“

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Weitere Informationen:

Website: http://www.meistersinger.net

Bildnachweise:

Titelfoto: © MeisterSinger GmbH & Co. KG

Kategorien: Gute Nacht